Wir Deutschen (oder Mitteleuropäer, oder gesättigte Reiche der Nordhalbkugel) brauchen immer Planungssicherheit. Das Leben kann nicht genug im Voraus geplant und gegen alle möglichen (und unmöglichen) Risiken abgesichert sein. Das gilt natürlich auch bei Reisen und ganz besonders bei denen in „exotischere“ Gefilde. Wir sind da leider nicht wirklich eine Ausnahme: Wir haben schon ganze (Kurz-) Reisen am Schreibtisch durchgeplant und vorgebucht, Kilometer berechnet und jeden Schritt im Voraus abgeklärt. Bei Stippvisiten von wenigen Tagen oder Wochen ist das sicher auch okay. Man will sich die sauer verdienten Urlaubstage möglichst gezielt aufteilen und die Abenteuer absichern.
Bei einer längeren Reise wie unserer kann eine zu genaue Vorplanung aber schnell auch hinderlich sein. Buchungen geben einem zwar die Gewissheit, an einem bestimmten Tag in einem bestimmten Camp und/oder Park unterkommen zu können, was ja bei einer Reise mit Kind auch ganz beruhigend ist. Aber man muss dann halt auch an dem entsprechenden Tag dort sein. Ein „no-show“ ist immer ein Problem, selbst wenn man nicht schon hat im Voraus bezahlen müssen.
Allerdings ist in Afrika „off the beaten road“ nicht immer alles so klar vorherzusehen, gerade bei Individualreisen. Dann von unterwegs die großen Websites aufrufen und die Nummern zum canceln herausfinden oder gar in de Buchungsportalen online canceln zu wollen – das ist oft illusorisch.
Ein Beispiel
Wir waren im Namib Naukluft Park in Namibia unterwegs und wollten nach Süden in den Richtersveld Nationalpark, den südafrianischen Teil des Ai-Ais/Richtersveld Transfrontier Park. Wir hatten etwas mehr als eine Woche gerechnet, um vom Naukluft Park über Sossousvlei und Ai-Ais an die südliche Grenze und in den Park zu kommen.
Leider gab im Naukluft Park unsere Zweitbatterie den Geist auf und wir brauchten sowohl Starthilfe als auch Ersatz, mussten also nach Swakopmund zurück. (Ein ausführlicherer Bericht soll einem späteren Post vorbehalten bleiben.) Nun waren wir plötzlich zwei Tage “in Verzug”. In der Gegend von Sossousvlei hatten wir nichts vorgebucht, wollten aber den Massen am Vlei-Campsite entgehen. Dank der von Thomas Richter immer noch weitergeführten (und nur leicht in die Jahre gekommenen) annotierten Campingplatz-Liste „Namibia Camping Führer“ (der aktuelle Stand immer online, wo auch weitere Infos zu finden sind) sind wir spontan in die tolle Weltevrede Guestfarm gefahren, die auch Plätze für Camper haben.
In der Lodge gab es Netz und wir erfuhren über SMS, dass unsere aus Deutschland geschickten Pakete doch nicht verlorengegangen waren, sondern bei der Namibischen Post lagerten. (Hier noch einmal ein großes Dankeschön an die hilfreiche DHL-Crew in der Bach Strasse! – auch diese Geschichte verdient einen eigenen Beitrag.) Da wir aber die Richtersveld Buchung schon hatten, sind wir nicht gleich von hier nach Windhoek gefahren, denn das hätte für uns wohl noch einmal zwei bis drei Tage zusätzlich bedeutet. Ds war zwar nicht die beste Lösung, wie wir später feststellen mussten, aber damals wollten wir uns noch verschiedene Optionen für den weitere Tourverlauf offen halten: Entweder in Südafrika weiter nach Süden zu fahren (und die Pakete lagernz zu lassen), oder nach dem Richtersveld Park über die Augrabies Falls und vielleicht die Kalahari (Kgalagadi Transfrontier Park) nach Windhoek und dann über den Caprivistreifen gleich in Richtung Botswana, Sambia und Simbabwe zu fahren. Das war vor allem deshalb eine interessante Option, da wir wussten, dass wir dann gute Chancen gehabt hätten, gute alte Bekannte zu treffen.
Aber es ging noch weiter. Wie der Zufall so spielt, hatte ich meine Sonnenbrille an der Weltevrede Rezeption liegen lassen. Zumindest war das die These, die sich später als korrekt herausstellte. Ich hatte zwar eine Ersatzsonnenbrille dabei, aber die andere war die “Gute”, die wir beim Optiker noch hatten anfertigen lassen. Also sind wir noch einmal eine Nacht dort untergekommen und haben die Brille gefunden – auf Kosten eines weiteren Tags.
Bei unserem Zwischenstopp auf dem Weg nach Süden – im Quivertree National Forest bei Keetmanshop lassen wir uns viel Zeit, schauen uns morgens noch die Köcherbäume an und gehen dann ausführlich in der Stadt einkaufen. Kommen dadurch erst viel zu spät los und brauchen noch eine Unterkunft unterwegs – stoßen dabei auf die Canyon Roadhouse Lodge mitten im Nationalpark und in ihrem Süd-West-Amerika Design irgendwie völlig aus Raum und Zeit gefallen – ein toller Stop. Diese Lodge ist auch Teil des interessanten Gondwana Projketes und weil wir grad in der Gegend sind, schauen wir uns auch den fantastischen Fish River Canyon “von oben” an. Das ist angeblich der zweitgrößte Canyon weltweit (und der größte in Afrika) – nach dem Grand Canyon, und erinnert tatsächlich daran. Alles in allem führte das dazu, dass wir einen Tag weniger an den heißen Quellen von Ai-Ais hatten, was durchaus schmerzte, denn das Wasser des großen öffentlichen Pools war diesmal tatsächlich schön warm. Aber okay, sagten wir uns, da kommen wir ganz sicher mal wieder hin.
Nun sind alle Puffertage aufgebraucht, aber wir schon in der Nähe des Ziels. Wir fahren also in aller Ruhe und nach einem letzten Bad im warmen Pool in Richtung des anderen Parkteils und machen das dem Paul auch schmackhaft: der Eintritt von Namibia aus geht nämlich über die Ponton-Fähre von Sendelingsdrift. Diese tolle Art in ein anderes Land und gleich in einen Nationalpark überzusetzen hatten wir schon vor ein paar Jahren gemacht und wollten das unbedingt noch einmal erleben. Leider sieht der namibische Grenzposten sehr verlassen aus, es ist aber doch eine Beamtin da, die uns dann mitteilen muss, dass der südafrikanische Partner leider gerade die Grenze geschlossen hat. Sie hätten da wohl irgendwelche technischen Schwierigkeiten. Genaueres wüssten sie auch nicht, wir könnten jedenfalls nicht über die Grenze. (Auch heute konnte ich nicht “auf die Schnelle” online herausfinden, ob der Grenzposten nun wieder auf ist oder nicht.) Wir machen lange Gesichter, denn es ist schon 15 Uhr ist und am Abend unsere erste Buchungsnacht beginnt… Aber alles kein Problem, wir können auch noch nach Oranjemund fahren, dort gibt es eine Brücke. Es sei auch nicht so weit, nur 90 Kilometer, das würde man in reichlich einer Stunde schaffen und es sei ja noch Zeit. Nur von hier telefonieren können wir dann doch nicht. Was bleibt uns weiter übrig. Wir winken unserem Ziel, das auf der anderen Seite des Flusses schon zu sehen ist, noch einmal zu und fahren weiter nach Süd-Westen.
Jetzt fahren wir tatschlich ans äußerste Ende von Namibia und erleben unterwegs die beeindruckend großen Sanddünen vor dem Ort am Rand des Sperrgebiets. Wir machen also unseren ersten Grenzübergang von Oanjemund nach Aleksander Baai und erfreuen uns am kalten Wind der über den Atlantik pfeift und an den stark erodierten und ausgefahrenen Straßen auf südafrikanischer Seite. Das alles hier ist Mienengebiet – das Schürfen von Diamanten lohnt sich ganz offenbar noch immer. Letzten Endes kommen wir noch am richtigen Tag im Nationalpark an – in der Dämmerung. Wir können nur nicht mehr zum eigentlich gebuchten Platz hineinfahren, das wäre noch einmal eine halbe Stunde Fahrt, dürfen aber auf dem Campingplatz am Eingang übernachten.
So sind wir zwar „pünktlich“ im Park angekommen, aber es war doch ein Trip unter Zeitdruck und den hatten wir uns wegen der etwas euphemistischen Vorbuchung selbst organisiert.
Als Konsequenz versuchen wir immer genau abzuwägen, was sich an Vorbuchung lohnt und lieber immer zu schauen, wohin es uns verschlägt. Irgendwo wird man schon unterkommen – das bestätigt auch unsere Erfahrung. Besser fragt man herum, was die Leute auf dem Campingplatz (oder an der Bar) so empfehlen, dann bekommt man die aktuellen Infos aus erster Hand. Termine auf so einer langen Reise binden einen viel zu sehr und man verliert einiges an Flexibilität. Und wie wir hier gezeigt haben, kann immer mal was dazwischenkommen. Wer weiß schon im Voraus, was unterwegs alles passiert und wo man spontan noch hinmöchte. Diese Flexibilität möchten wir uns gerne erhalten.
Es gibt dabei allerdings Ausnahmen. Eine davon ist die Feriensaison von Südafrika, die im Dezember beginnt und etwa bis Mitte Januar dauert. In dieser Zeit sind Ferien und die campingfreudigen Südafrikaner unterwegs – dadurch die Plätze in den Parks und Campingplätzen schnell ausgebucht. Das ist dann auch nicht “high season”, sondern “peak season”, was oft sehr deutlich auf die Übernachtungspreise durchschlägt.
Im äußersten Westen kommt die “Welle” so ab dem 10. bis 15. Dezember an und mehrere Campsitebetreiber, bei denen wir Anfang Dezember noch problemlos unterkamen, bestätigten uns, dass sie dann komplett ausgebucht seien. Ganz besonders betrifft das die beliebten Parks der Westküste und Kapregion, wo sich die Plätze schon Anfang Dezember füllen, geht über den Südosten bis in den Norden und zieht sich nur wenig zeitverzögert bis nach Mosambik hinein. Wir konnten für Weihnachten noch Plätze im Krüger Park buchen, auch wenn der dann sehr voll sein wird. Für die Zeit “zwischen den Jahren” war aber selbst dort quasi alles ausgebucht. Doch auch mit den Tagen um Neujahr herum hatten wir Glück, da wir ein paar Tipps für schöne Campsites von verschiedenen Campingbekanntschaften erhalten hatten. Wir werden später berichten.
Ab Mitte Januar sollte sich alles wieder entspannen, denn dann müssen die meisten Südafrikaner wieder nach Hause und auf Arbeit. Wo wollen wir in der Zeit sein? Wir wollen dann weiter nach Norden, in Richtung Malawi fahren. Individuell, flexibel und ohne Vorbuchungen, versteht sich.
(Screenshot: Über die Weihnachtsfeiertage sind die Unterkünfte im Krüger Park fast komplett ausgebucht – Ausschnitt aus der SAN-Park Buchungsseite.)
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