(Richtersveld 4; frühere Beiträge “Zum Richtersveld” | “Fish River Canon” | “Ai-Ais“) Die Strecke von Ai-Ais aus fährt sich gut, wir lassen nur die Abkürzung durchs Flussbett bei Aussenkehr weg, sondern fahren weiter auf der Gravel Road. Das ist zwar etwas mehr Strecke, aber geht auch schneller. Und so kommen wir auch durch das hiesige Weinanbaugebiet. Die Deutschen begannen hier 1910 mit dem Bau von Bewässerungsanlagen, und seit 1988 werden hier im großen Stil Tafeltrauben auch für den deutschen Markt angebaut (Wikipedia). Plötzlich ist das Tal gefüllt von großen Plantagen mit Weinstöcken, an denen die Reben hängen, alles grün, gut gepflegt und natürlich eingezäunt.
Im Oranjefluss-Tal fahren wir an einem Startpunkt für Wildwasser Kajak vorbei, auch Hinweise auf Badestellen und zum Übernachten finden sich vereinzelt am Anfang der Strecke. Der Fish River, den wir irgendwann kreuzen, hat immer noch etwas Wasser und eine Horde Paviane ist gerade da zum Trinken.
Ab hier kommen immer mehr alte und neue Minengebiete in Sicht, die der Landschaft ihren Industrie-Stempel aufdrücken. Noch immer scheint die Gegend sich für den Diamantenabbau sehr zu lohnen. Diamanten haben alles hier geprägt, an vielen Stellen wurde jeder Kubikmeter umgewühlt. Dazwischen der mit ordentlich Wasser gefüllte Oranje und sein schmaler Uferwald oder die Uferbüsche.
Wir nähern uns dem Grenzübergang. Aber erst geht es noch über einen Pass um die letzte große Oranje Schleife herum. Überall sind Vorkehrungen gegen Regenerosion deutlich sichtbar. Große Erddämme sind alle paar Meter aufgeschüttet, die das Wasser von der Straße ableiten sollen. Um den Abzweig am Umspannwerk und den militärischen Anlagen führt ein steiler Pass herum, der sogar mit Betonplatten ausgelegt ist. Dann geht’s auf der anderen Seite herunter und zu den Grenzanlagen.
Wir suchen alle Unterlagen und die Pässe zusammen und gehen zu den Abfertigungsgebäuden. Aber unsere Überraschung ist groß, das Haus ist an der einen Seite abgeschlossen, sehr merkwürdig. Dann öffnet sich die andere Tür und uns wird von einer mindestens genauso überraschten Beamtin erklärt, dass die andere, die südafrikanische Seite, den Posten derzeit geschlossen habe. „You can not cross“. Angeblich seien es Probleme mit der IT Anlage, aber sie würden das auch nicht genauer wissen. Der wesentliche Punkt ist, dass wir hier nicht über die Grenze könnten. Auf der anderen Seite kann man die Gebäude schon erahnen, auch wenn die kleine Ponton-Fähre von hier aus nicht zu sehen ist. Sehr schade, wir hatten uns auf diesen Grenzübergang mit stilvoller Einreise per Pontons sehr gefreut. Wir dürfen auch nicht das Telefon benutzen, um bei SAN Parks anzurufen, dass wir unsere erste Buchung nicht wahrnehmen können. Wifi haben sie schon gar nicht. Aber die Dame empfiehlt uns, nach Oranjemund weiterzufahren. Dort gäbe es eine Brücke und wir könnten über die Grenze. Das seien ja auch nur 90 km.
Was sollen wir tun? Letztlich ist das eine gute Idee, ein paar Stunden haben wir ja noch Licht. Also machen wir es so. Die Strecke ist dann zwar doch über 100 km lang, aber der Großteil ist gut in Schuss und wir kommen gut voran. Die gut geteerte Straße führt durch interessantes Gebiet, das wir bisher noch nicht befahren hatten. Am Anfang kommen wir an einem verlassenen Office vorbei, in dem man Permits zum Eintritt ins Sperrgebiet beantragen kann. Ringsum ist ja alles Sperrgebiet, Diamantengebiet, zum großen Teil als Nationalpark deklariert. An einer Flussbiegung ist eine Baustelle ausgezeichnet, wenn auch ohne Bauarbeiter. Hier hat der Oranje die Straße angeknabbert, sie teilweise unterspült und es sind große Risse im Asphalt entstanden. Wir fahren danach über zwei Pässe, die durch die Erdformationen gehauen wurden.
Am Ende kommen wir wieder durch Sanddünen. Der kräftige Wind bläst den Sand in großen Schleiern über die Straße, kleine Verwehungen werden sichtbar, Minidünen. Am Oranje sehen wir große, kreisrunde Bewässerungsfelder, die grün aus dem gelben Sand hervorleuchten. Ähnlich wie auch um Swakopmund kühlt es zum Atlantik hin merklich ab, am Ende kommen wir bei windigen und ziemlich frischen 22 Grad an.
Wir überlegen kurz, ob wir noch im Land bleiben sollen, da es schon 17 Uhr ist. Aber in dieser Kälte wollen wir das nicht, zumal wir nicht wissen, ob es hier offene Campsites gibt und wie die aussehen. So machen wir hier, am äußersten, südwestlichsten Zipfel von Namibia unseren ersten „richtigen“ Grenzübergang. Bei der Immigration (Ausreise aus Namibia) müssen wir die üblichen Formulare ausfüllen, in Sachen Auto ist alles okay, denn wir bleiben ja in der SADC Zone, genauer gesagt auch in der SACU Zone, also der Zollunion.
Der eigentliche Übergang ist die lange, einspurige Brücke über den Oranje. Die Zufahrt ist mit Ampel geregelt, Sabine filmt die Überfahrt. Hier an der Mündung ist das Flussbett sehr breit, mit großen Sandbänken zwischendrin, aber auch zwei Seitenströmen, die einiges an Wasser führen. Reiher stehen im Wasser.
Auf der anderen Seite kommen die südafrikanischen Grenzgebäude. Wir stellen uns auf das Stopp-Zeichen auf der Straße und werden deswegen gleich angemahnt, dürfen dann aber doch stehenbleiben. Hier bekommt man erst einen Gate-Pass, mit dem geht’s zur Immigration. Wir werden verwundert gefragt, wie lange wir bleiben wollen, denn wir hätten ja bereits einen Einreisestempel bekommen. Wir erklären, dass wir in Jo‘Burg den Flieger wechseln mussten und daher erst ins Land hineinmussten, aber am gleichen Tag auch gleich wieder ausgereist sind, auf der Anreise nach Windhoek. Das ist dann verständlich und wir bekommen unser Visum. (Erst später wird diese unglückliche Einreise in Johannesburg noch einmal relevant, wenn wir aus Mozambique erneut nach Südafrika einreisen wollen.) Ein kleiner Lacher kommt, weil sich die Beamtin wundert, welchen Namen das Mädchen hat. „Oh! It’s a boy!“ Das klärt dann auch das auf.
Wir müssen dann den Gate Pass zur Polizei im Nachbargebäude bringen, die auch die Pässe sehen wollen und alles in deren System eingeben müssen. Matz fällt auf, dass an der Seite der Computer, die gegen versehentliche Mitnahme – aber durch wen, die Beamten? – gesichert sind, für jedermann sichtbar Benutzername und Passwort stehen. Aber dazu lasse ich besser keine Bemerkung fallen. Traue mich auch nicht, ein Foto zu machen.
Nach insgesamt etwa 45 Minuten Grenzformalitäten und Überfahrt sind wir in Südafrika. Das Land empfängt uns mit kühlem, starken Atlantikwind und einer wüstigen, von Bergbau geprägten Industrielandschaft. Aus Zeitgründen entscheiden wir uns, nicht erst nach Alexander Bay zu fahren, sondern machen uns trotz fortgeschrittener Uhrzeit in Richtung Osten auf, zum Nationalpark. Das Navi zeigt als Ankunftszeit 19 Uhr an. Matz fährt zügig und Sabine bekommt schon mal Schnappatmung, aber kurz vor 7 sind wir am Parkeingang.
Dort sind tatsächlich noch Leute, die uns mit einem passenden „You’re quite late!“ aber dennoch freundlich begrüßen. Wir erklären, dass wir schon 3h früher hätten da sein wollen, aber den Umweg über Oranjemund machen mussten. Das können sie gut nachvollziehen. Wir zeigen unsere Dokumente, Pässe und Wild Card wollen sie sehen. Auf die Ansicht der digitalen Buchung verzichten sie, weil‘s schon so spät ist, um Zeit zu sparen. Sehr entgegenkommend, und sicher wollen sie auch Feierabend machen.
Mit zwei Anmeldeformularen ausgestattet, die wir am nächsten Morgen im Office abgeben sollen, können wir weiterfahren. Von hier sind es noch ein paar Kilometer bis zum Ort Sendelingsdrift, an aktiven Minen vorbei. Der Ort ist hauptsächlich Quartier für die vielen Minen-Arbeiter und bietet sonst nicht viel mehr. Als wir am eigentlichen Park Office am Ende des Ortes angekommen, ist es schon richtig dunkel. Natürlich hat hier längst alles zu, aber die Hinweisschilder zum Ponton nehmen wir trotzdem wehmütig wahr. Hier soll es irgendwo auch einen Campingplatz geben und wir sprechen Leute darauf an. Nach einer Weile findet sich jemand, der weiß, wovon wir sprechen und weist uns den Weg.
Der Campingplatz ist leer, aber ordentlich ausgestattet. Wir haben einen Flutlichtscheinwerfer an unserem Platz, es gibt einen schönen Schattenbaum und eine Feuerstelle. Wir schließen den Strom an und Sabine hängt noch die Wäsche zum Trocknen auf. Paul und Matz schneiden die Zwiebeln, Sabine macht Reis mit Thunfisch, ein schnelles und vielerprobtes, einfaches Reise-Gericht. Mittendrin, um kurz nach 20 Uhr, geht der Strom aus. Wir sind etwas überrascht, aber es ist tatsächlich auch überall im Ort düster. Später verstehen wir, dass das unsere erste Begegnung mit dem berühmt-berüchtigten Loadshedding in Südafrika ist. Also müssen wir auf Taschenlampen umsteigen. Alles geht etwas improvisiert und zügig, denn es ist auch ziemlich frisch. Als wir fertig sind mit Essen und Abwasch, kommt der Strom wieder. Wir lassen das Auto angeschlossen und gehen schlafen. Man hört ringsherum die Minenfahrzeuge und Arbeitslärm, das hört auch die ganze Nacht nicht auf.
(Fortsetzung folgt)
flussufer, grenzuebergang, nichts geht mehr
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